"Machen Sie auch mal Pause, Frau Steinkamp?"

Fragen aus dem Publikum

Zu Beginn meiner Trainings frage ich gern "Haben Sie heute eine bestimmte Frage mitgebracht"? Womit ich dann rechne: "Wie isst man ein Amuse-Gueule?" oder "Wen begrüßt man zuerst?" Diese Frage einer Teilnehmerin in einem Unternehmenstraining in Gütersloh hat mich allerdings eiskalt erwischt:

"Frau Steinkamp, bewerten und beurteilen Sie Menschen und ihr Verhalten eigentlich ständig oder machen Sie auch mal Pause?"

Gegen einen gewissen Bewertungs-Automatismus können wir uns nicht wehren. So ticken wir Menschen nunmal: Der berühmte erste Eindruck, mit dem wir andere in eine uns bekannte Schublade stecken, entsteht, bevor mir Menschen kennenlernen. Natürlich wissen wir, dass dieser Eindruck nicht unbedingt den wahren Tatsachen entspricht. Aber wie bei jedem anderen Menschen springen auch bei mir Sympathiefunken über, manchmal entsteht Neugier, manchmal Unbehagen, manche mag ich direkt, andere weniger. Das alles geschieht unbewusst und unkontrolliert.

 

Was ich aber nicht tue, und das ist das eigentlich wichtige an dieser Frage: Menschen auf richtig und falsch bewerten und damit abstempeln. Natürlich bemerke ich, wenn jemand unsicher ist, weil er nicht weiß, ob er nun korrekt begrüßt hat. Oder wenn sich Menschen in meiner Gegenwart zu Tisch hilfesuchend umschauen, weil sie nicht mehr wissen, wie das mit dem Besteck richtig läuft. Das sind keine Momente, in denen ich denke "Ha! Erwischt! Das war falsch. Du weißt wohl nicht, wie es richtig geht?!" Zugegeben, ohnehin ein wenig spitz ausgedrückt, aber mir persönlich ist es egal, wie "perfekt" jemand is(s)t. Ich gebe in meinen Trainings Impulse dafür, wie man sich angemessen, sozial kompatibel und für das Gegenüber angenehm verhält. Wie man sich "in den Ton einer Gesellschaft einfügt, ohne eigentümlich zu wirken" (Zitat Knigge). Was jeder einzelne daraus macht, bleibt ihm überlassen. Und es steht mir nicht zu, das in irgendeiner Form zu bewerten.

 

Mir saß einmal ein junger Mann beim Currywurstessen auf einer Business-Veranstaltung gegenüber. Eine dieser Veranstaltungen, bei denen im Sitzen von Porzellan und nicht auf Papptellern mit Pommespieksern gegessen wurde. Er schaute mich misstrauisch an und sagte dann "Frau Steinkamp, wenn Sie mir so gegenüberseitzen und Ihr Namensschild mir verrät, dass Sie Kniggetrainerin sind, dann traue ich mich gar nicht zu essen!" "Ach, wissen Sie", antwortete ich, "Messer rechts, Gabel links und die Currywurst in den eigenen Mund, statt in den der Nachbarin. Dann wird's schon schmecken!" Wir lachten alle und niemand dachte mehr darüber nach, wie häufig er sich mit der Serviette wohl die Mundwinkel abtupft. Genau solche Situationen meine ich. Ich kann mich sehr gut entspannt mit meiner Currywurst beschäftigen, ohne darauf zu achten, was auf den Tellern der anderen passiert.

Bleiben Sie locker – auch, wenn Sie mir begegnen.

Also lehnen Sie sich bitte entspannt zurück, wenn Sie mir begegnen. Ziehen Sie nicht automatisch den Krawattenknoten enger, nur weil ich "Benimm-Expertin" bin. Es ist auch nicht nötig, vorsichtshalber nichts mehr zu sagen, weil Sie Angst und Bange sind, etwas "falsches" zu sagen. Vertrauen Sie auf sich selbst und Ihr Gespür dafür, was angemessen ist. Denn in die Benimm-Fettnäpfchen tritt man nicht, weil man sich natürlich verhält – eher, weil man zu verkrampft in eine Situation geht.


Birte Steinkamp
Zert. Trainerin für Business-Etikette

birtesteinkamp@die-kniggetrainerin.de