Wir sind Kniggetrainer und haben die Schnauze voll! Davon, dass uns von allen Seiten erzählt wird, wie wir uns zu verhalten und benehmen haben – ganz gleich, ob das einer überzogenen Erwartungshaltung oder persönlichen Glaubenssätzen entspringt.
Dieses Buch ist unsere Handreichung für einen bewussten und guten Umgang mit Menschen. Nicht um jeden Preis, aber aus eigener Überzeugung. Mithilfe unseres 4i-Modells – Ideale, Image, Interaktion und Instrumente – wird ein authentisch-professionelles Auftreten für Sie zur Selbstverständlichkeit
Machen Sie sich karrierebereit und werden Sie zu dem Menschen,...
… mit dem Sie selbst Geschäfte machen würden,
… mit dem Sie selbst zusammenarbeiten würden,
… mit dem Sie selbst Zeit verbringen würden,
… dem Sie selbst vertrauen würden,
… dem Sie selbst gern begegnen würden!
Prolog
Was unserem Herzensthema Knigge nämlich keineswegs gerecht wird, ist die Reduzierung auf Schwarz oder Weiß, auf Richtig oder Falsch, auf Gut oder Schlecht. Wir sind davon überzeugt, dass wir alle
auf viele verschiedene Arten Respekt ausdrücken, höflich und kleine Weltverbesserer sein können. Dafür ist es gegebenenfalls nötig, einige alte Muster zu durchbrechen, in jedem Fall unsere Augen,
Ohren und Herzen zu öffnen. Hüten Sie sich vor Menschen und Büchern, die Ihnen weismachen, es gäbe nur zwei Arten von Meinungen: die eigene und die falsche.
„Bei der Menge unnützer Schriften tut man übrigens wohl, ebenso vorsichtig im Umgange mit Büchern wie mit Menschen zu sein.“
Adolph Freiherr Knigge
Viel zu schnell und zu oft wird kaum differenziert, und die feinen Zwischentöne des guten Miteinanders werden – entweder aus Unwissenheit, Stress oder Bequemlichkeit – missachtet. Dies hat unter
Umständen schwerwiegende Folgen: Nehmen wir zum Beispiel die E-Mail-Etikette. Während sich die ältere Generation in fast romantischer Erinnerung an Briefe auf Papier mit Füller und Tinte noch
einer korrekten Anrede, vollständiger Sätze und einer ausformulierten Grußformel jenseits von MfG und fyi bedient, bestehen E-Mails in Start-ups häufig aus ungefragtem Duzen, Abkürzungen und
aneinandergereihten Rechtschreibfehlern. Die Folge: Empfänger fühlen sich despektierlich behandelt, Antworten bleiben aus, und die jungen Wilden haben keinen Schimmer, warum. So werden
Unwissenheit, Bequemlichkeit und vielleicht auch eine künstliche und um jeden Preis erzwungene Coolness zum sprichwörtlichen Eigentor. (...)
Das Zusammenspiel von Idealen und Image
Haben Sie ein Image? Mancher von Ihnen wird nun kopfnickend vor diesem Buch sitzen, manch anderer wird den Kopf schütteln, und wieder ein anderer fragt sich: „Image? Was ist das? Brauche ich
das?“ Um zu beschreiben, was ein Image ist, können wir uns ganz einfach der Übersetzung aus dem Englischen bedienen: Das Image ist ein Bild. Das Bild, das wir uns von jemandem oder von etwas
machen. Jedes Unternehmen und jede Organisation, jede Person hat ein Image, einen Ruf oder eben ein Ansehen. Das ist heute keine überraschende Erkenntnis mehr – geht es doch überall und immerzu
darum, etwas zu bewerten. Digital bedeutet das: Daumen hoch, Daumen runter, gelikt, geteilt, empfohlen.
Außerhalb der digitalen Welt haben Sie mit Sicherheit schon einmal jemanden sagen hören: „Von der da habe ich aber gar kein gutes Bild!“ Was damit gemeint ist, ist der eigene Eindruck, abhängig
vom eigenen Empfängerhorizont. Meinungen sind subjektiv, deswegen kennt jeder von Ihnen diesen einen Kollegen, der von der einen Abteilung als ehrgeizig wahrgenommen wird und von der anderen als
Speichellecker. So oder so, Meinungsbildung findet statt – ob wir wollen oder nicht. Manchmal bewusst, aber zumindest immer unbewusst.
Damit wird unser guter Ruf zu einem sehr fragilen Konstrukt. Wir sind in diesem Bühnenstück nicht nur das Publikum, das applaudiert oder pfeift, wir stehen selbst auf der Bühne und werden
bewertet. Vielleicht aufgrund unserer Kleidung, vielleicht aufgrund unserer Mimik, vielleicht, weil jemand unsere Stimme mag oder auch nicht oder weil wir jemanden unbewusst an eine unliebsame
Person erinnern. Machen Sie sich bewusst, dass das Bild, das sich jemand von Ihnen macht, stark emotional beeinflusst ist. Es wird durch Assoziationen und Gefühle gelenkt und kann somit nicht nur
auf Fakten beruhen.
Hinzu kommt eine weitere unvermeidbare Variable: die Meinung Dritter. Hat Ihre beste Freundin kein gutes Bild von „der da“, liegt die Vermutung nahe, dass auch Sie selbst erst einmal kein gutes
Bild von „der da“ haben. Ihrer Freundin vertrauen Sie schließlich, Sie denken ähnlich und sind sowieso häufig einer Meinung. Noch deutlicher wird es, wenn eine ganze Gruppe bereits eine Meinung
hat – sich da noch objektiv eine eigene Meinung zu bilden, fällt besonders schwer, wäre aber empfehlenswert. (...)
Es ist nicht egal, was andere über Sie denken
Immerzu bewerten wir unbewusst die Personen um uns herum. Bekannte, Freunde, Fremde, sogar Menschen, denen wir gar nicht begegnen, die wir zum Beispiel nur aus den Medien kennen. Dabei liegt es
in unserer Natur als Mensch, einzigartig zu sein. Wir fühlen unterschiedlich, denken unterschiedlich, sind unterschiedlich erzogen, und wir machen im Laufe unseres Lebens unterschiedliche
Erfahrungen. All das macht uns einzigartig und auch die Art, wie wir die Welt und unsere Mitmenschen betrachten. Sie verleiht jedem Einzelnen von uns eine eigene Meinung.
Welchen Eindruck wir auf jemand anderen machen, hängt also nicht nur von unserem Tun, sondern auch vom individuellen Empfängerhorizont des anderen ab. Da wir diesen nicht kennen und natürlich
auch nicht abfragen können – die Frage „Entschuldigen Sie bitte, wie wirkt denn meine rosafarbene Hose heute auf Sie?“ kommt eher befremdlich daher –, bleiben uns bei der Betrachtung und
Definition unseres eigenen Images zwei zu berücksichtigende Parameter: unsere eigene Sicht und die Sicht der Wissenschaft.
Die Geistes- und Humanwissenschaften liefern uns viele Erkenntnisse darüber, was allgemeingültig ist, was wann wie auf wen wirkt. So gehen sie zum Beispiel davon aus, dass dunkelblaue Kleidung
seriöser wirkt als pinkfarbene, dass ein fester Handschlag kompetenter wirkt als ein schlaffer und dass eine Brille zumindest auf den ersten Blick intelligent wirkt. Diese Erkenntnisse stellen
wir keineswegs infrage. Im Gegenteil, wir sind dankbar dafür, dass es so detaillierte Untersuchungen über Wirkung und unbewusste Wahrnehmung gibt, weil wir damit wunderbar arbeiten können, wenn
es um unser Auftreten geht. Im zwischenmenschlichen Miteinander genügt es aber nicht, sich auf diesen Erkenntnissen auszuruhen und sich ungeachtet anderer Einflüsse allein darauf zu berufen, was
durch Forschungen und Studien als „gut oder schlecht“ beziehungsweise „richtig oder falsch“ propagiert wird. Dafür sind wir Menschen viel zu einzigartig. Im besten Fall ist jeder von uns stets
bemüht, seinen eigenen Idealen zu entsprechen und sich seine Meinung aufgrund individueller Voraussetzungen in Form von Erfahrungen, Ansichten und Überzeugungen zu bilden.
Für Ihr Image bedeutet das, dass Sie mit Ihrem Verhalten und Ihrer Kleidung und der daraus resultierenden Wirkung stets der subjektiven Wahrnehmung Ihres Gegenübers ausgesetzt sind. Dunkelblau
mag noch so seriös wirken, wenn Ihr Gegenüber diese Farbe als langweilig erachtet und selbst in seiner Optik eher auf grelle Rottöne in Kombination mit einem satten Grasgrün setzt, können Sie in
Ihrem schicken Anzug oder Kostüm nicht punkten. Wenn Sie jemals zu zweit shoppen waren und sich zusätzlich vertrauensvoll an eine Verkäuferin gewendet haben, wissen Sie, dass bei drei Personen
gut und gerne vier Meinungen über die Wirkung von Kleidung möglich sind.
Gegen dieses Phänomen können auch wir nichts tun. Wir können nur darauf hinweisen und Sie dafür sensibilisieren, dass Sie immer mal wieder Menschen begegnen werden, bei denen Sie mit jeder auch
noch so wissenschaftlich fundierten Erkenntnis an Grenzen stoßen. Lassen Sie sich davon nicht beirren und vor allem nicht in Ihrer eigenen Überzeugung beeinflussen.
Gleichzeitig möchten wir Sie für eine Sichtweise sensibilisieren, die zwar sehr wohl eine Art von Subjektivität betrifft, die Sie allerdings dennoch bedienen können: Ihr privates Image mag sich
unter Umständen von Ihrem beruflichen Image unterscheiden. In Sachen Integrität sei hier gesagt: Sie verlieren sich nicht gleich selbst und auch nicht Ihre Wertvorstellungen, wenn Sie tagsüber
gesundes Gemüse im Bioladen verkaufen und zu Hause auch mal eine Fertigpizza in den Ofen schieben. Besonders in unserer Rolle als Knigge-Trainer werden wir sehr häufig gefragt, ob wir zu Hause
denn auch so manierlich essen wie in unseren Knigge-Dinnern oder ob wir überhaupt bequeme Kleidung besitzen, also Alternativen zum weißen Hemd mit Umschlagmanschette oder hohen Pumps. So gern wir
das Bild des ewigen Perfektionismus aufrechterhalten würden: Auch uns gibt es privat, und auch uns gibt es fernab der Knigge-Bühne. Wir besuchen Grillpartys bei Freunden in legerer Kleidung,
versäumen ab und zu, eine Nachricht binnen weniger Stunden zu beantworten, und kommen durchaus auch mal zu spät. Bei all diesen Freiheiten, die wir uns nehmen, oder den kleinen Patzern des
Alltags, die auch uns passieren, bleiben wir allerdings unseren wichtigsten Idealen treu: Wir bemühen uns, auch die Grillparty in optisch einwandfreier Kleidung ohne Löcher und Flecken zu
besuchen, wir rufen die versetzte Person umgehend an und entschuldigen uns ehrlich und aufrichtig – verbunden mit dem Versprechen, unser Fehlverhalten wiedergutzumachen –, und wenn wir uns
verspäten, dann geben wir frühestmöglich Bescheid. So bringen wir den Menschen, denen wir begegnen, trotz eines gewissen Imperfektionismus – den zu vermeiden auch gar nicht unser Ziel ist –
Respekt entgegen und können unser Image trotz allem aufrechterhalten. (...)