Stil trotz Alkohol

Die drei Goldenen Regeln, damit es gar nicht erst heikel wird

Alkohol ist ein ernstes Thema! Verbinden wir Alkohol doch meist mit gemütlichen Abenden, super Parties oder dem feucht-fröhlichen Abschluss so eines anstrengenden Tages auf der Messe – noch im Anzug oder Kostüm steckend, aber den Kronkorken von der Bierflasche feierlich mit dem Ehering entfernt. Vielleicht verbinden Sie das Thema Alkohol auch schmunzelnd mit Tante Rosi, die immer einen kleinen Schuss Amaretto für den perfekten Café Mafioso in ihren Kaffee gibt? Oder Alkohol bedeutet für Sie dieses eine Glas Champagner zu Weihnachten. Wie auch immer – gerade jetzt im Frühling, wo das Wetter besser, die Tage länger und die Corona-Einschränkungen endlich lockerer werden schreit es für viele ja förmlich nach den neuesten In-Getränken mit Freunden. Und es gibt auch nicht wirklich viele Fehler, die Sie in Sachen Alkohol machen können. Aber die wenigen, die es gibt, die haben’s in sich! Hand aufs Herz: haben Sie nicht auch schon mal aus Scham gedacht „Nüchtern betrachtet war es betrunken besser!“?

Was Asfa-Wossen Asserate dazu sagt

Bevor ich aber all Ihre vermeintlichen Exzess-Erinnerungen wecke, möchte ich auch dieses Thema aus einem stilvollen Blick betrachten. Und da ist mir eines meiner Lieblingsbücher in die Hände gefallen: „Manieren“ von Asfa-Wossen Asserate. Asserate wurde 1948 in Äthiopien geboren und lebt seit den 70er Jahren in Frankfurt am Main und er ist – so ganz nebenbei – der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers! 2003 hat er sein Buch „Manieren“ veröffentlicht, welches innerhalb kürzester Zeit zum Bestseller wurde. Außerdem erhielt Asserate 2004 dafür den "Adalbert-von-Chamisso-Preis" der Robert-Bosch-Stiftung. Mit diesem Preis, den die Bayerische Akademie der Schönen Künste in München verleiht, ehrt die Stiftung herausragende literarische Leistungen deutsch schreibender Autoren nichtdeutscher Muttersprache.


Asserate beschäftigt sich in seinem Buch „Manieren“ mit europäischen und eben speziell deutschen Umgangsformen. Das Buch ist – im Gegensatz zu vielen anderen Büchern über das Thema – kein Leitfaden für richtiges oder falsches Benehmen, sondern eher eine soziologische und kulturgeschichtliche Betrachtungen des Verhaltens europäischer Menschen. Und ich muss gestehen: Das Buch bringt mich an der ein oder anderen Stelle wirklich zum Schmunzeln. Zum Beispiel direkt mit den ersten Sätzen, die da lauten:

Also: klare Leseempfehlung von mir. Und in eben just diesem Buch gibt es ein Kapitel, das heißt „Betrunken sein“. Für alle, die das Buch zum Nachlesen nun nicht vor sich haben, gibt es den Ausschnitt hier als Bilder (zum Anklicken vergrößern).

Kurz, knackig, unterhaltsam und alles drin. Im Wesentlichen geht es um drei Punkte, und zwar um die, die auch ich in Sachen Alkohol am Wichtigsten finde. Wenn Sie übrigens mehr über Getränke, das Servieren und die richtigen Gläser wissen möchten, dann hab ich einen Tipp: In meiner Folge 27 „Lass uns anstoßen“ verrate ich die wichtigsten Fakten dazu. Aber zurück zum Alkohol. Es gibt 3 Regeln, die Sie vor Peinlichkeiten vom kleinen Fettnäpfchen bis hin zum großen Fauxpas mit Kündigungsandrohung bewahren:
Den Verzicht, das Maß und die Spielregeln.

Der Verzicht

Wenn Sie noch irgendetwas vor haben, wozu Sie Ihre geistigen Kräfte beisammen haben sollten, dann verzichten Sie ganz oder nippen nur mal kurz zum Anstoßen. Vielleicht müssen Sie noch Auto fahren, vielleicht verlassen sich Ihre Kinder auf die Gutenachtgeschichte, die lallend einfach unschön klingt, vielleicht müssen Sie noch auf die Bühne oder eine Präsentation halten oder Sie werden sich vor Ihrem Chef und Kunden noch im Smalltalk beweisen müssen. Wenn eine Situation von Ihnen einen klaren Geist erfordert – und sei es nur für Ihre eigene Sicherheit – dann bleiben Sie nüchtern! Mut antrinken – gerade für unangenehme Begegnungen, die Sie verunsichern, ist eine denkbar schlechte Idee! Denn so logisch es auch klingt oder so sehr es in unserer Gesellschaft verbreitet ist („bisschen angeschickerst ist alles halb so wild“), so gefährlich ist das.

 

Wenn Sie sicher, kompetent und professionell wirken möchten, dann schaffen Sie das nüchtern am besten. Und nüchtern haben Sie auch all meine Tipps aus nun ganzen 50 Podcastfolgen viel besser parat und sich selbst besser unter Kontrolle. Außerdem gelten Sie heute als Wassertrinker nicht mehr als Spielverderber. Während das vor einigen Jahren noch belächelt wurde und kommentiert wurde mit „Wasser? Warte ich hol Dir noch ein Stück Seife dazu! Du willst Dich doch waschen, oder?“ ist es heute eher ein Zeichen eines gesunden, bewussten Lebensstils und fast in Mode gekommen.


Ich möchte Ihnen an dieser Stelle aber nicht den Spaß verderben: Ist Ihr Ziel nicht das souveräne Auftreten im Business, sondern privat endlich auch mal der Partyclown mit den heißen Dancemoves auf dem Tresen zu sein – ja, dann hinein ins Vergnügen frei nach der Devise "Viel hilft viel".

Das Maß

Damit bin ich schon bei der nächsten Regel: Das Maß. Und nein, ich meine hier nicht die 1-Liter-Humpen vom Oktoberfest, sondern das richtige Maß. Und hier auch nicht das vom Tagesvollsten oder dem, der einen ordentlichen Stiefel verträgt, sondern Ihr eigenes Maß! Wenn Sie wissen, dass Sie nach einem Glas Wein lockerer, nach zwei Gläsern Wein lustig, nach drei Gläsern peinlich und nach Vieren müde sein werden – dann haben Sie damit Ihre ganz persönliche Skala für das richtige Maß!

 

Entscheiden Sie sich für einen lustigen Abend und wissen nun, mit zwei Gläsern ist dieses Ziel erreicht, dann verteilen Sie diese am besten über den ganzen Abend. Es ist genau so wenig sinnvoll, einen knappen halben Liter Wein zu Beginn oder kurz vor dem Aufbrechen auf Ex herunterzustürzen, wie den ganzen Abend an einem Glas herumzunippen. Mal davon abgesehen, dass ein leichter, köstlicher weißer Sommerwein warm überhaupt nicht mehr schmeckt. Trinken Sie also den Alkohol in angemessenem Tempo über den Abend verteilt. Es spricht überhaupt nichts dagegen, zwischendurch mal ein Glas Wasser zu trinken und bei der nächsten Runde wieder mit einzusteigen. Oder Sie steigen nach Ihren ein, zwei Gläsern Wein konsequent auf Wasser um – dann haben Sie auch keine Mühe mit dem Überblick über die Menge des Alkohols.

 

Stilvoll wenig zu trinken ist also gar nicht so schwer – sofern Sie sich diesen Plan im Vorfeld zurecht gelegt haben. Wieder einmal geht es also darum, vorbereitet und geplant in eine Situation hinein zu gehen – nicht nur in das Business-After-Work-Treffen, sondern auch in die Gartenfete in der Nachbarschaft.


Es geht aber auch anders: Besonders zu viel des Guten, in unserem Fall des guten Alkohols, kann im Nachhinein unangenehm sein: Die Zunge wird lockerer, der Verstand weicht so ein bisschen auf und was Ihnen heute Abend noch nicht bewusst ist, kommt spätestens morgen früh mit der Erinnerung. Es sei denn, Sie haben so viel Glück im Unglück, dass Sie sich selbst nicht an Peinlichkeiten erinnern. Aber seien  Sie sich bewusst: Irgendjemand war nüchtern, irgendjemand hat weniger getrunken als Sie und mindestens diese Person wird Sie für immer mit den beschwipsten Entgleisungen vom Vorabend in Verbindung bringen. Auch, wenn für jegliche Veranstaltungen mit Alkohol gilt, dass darüber nicht weiter gesprochen wird, sind Sie vor Tuscheleien nicht sicher. Zwar heißt es „Was auf Malle passiert, bleibt auf Malle“ – oder wie Asserate es beschreibt: Was auf dem Junggesellenabschied eines englischen Bräutigams passiert, hat nie stattgefunden – aber das ist eine der Spielregeln, die leider auch mal gebrochen wird.

Die Spielregeln

Damit meine ich eben diese ungeschriebenen Gesetze eines Abends. Asserate spricht es auch an: Es gibt Einladungen, die werden ausgesprochen, damit sich alle betrinken! Wenn Sie also wissen, dass die neun anderen heute eine richtige Sause machen wollen, dann wären Sie als Abstinenzler tatsächlich doch einmal der Spielverderber, den es ja heute eigentlich nicht mehr gibt. Es ist aber ein wenig so, als würden Sie auf der James-Bond-Motto-Party im Dirndl auftauchen oder zum All you can eat Buffet mitten in Ihrer Fastenzeit zusagen. Ich möchte hier überhaupt nicht zum Rudeltrinken animieren oder gar dazu, dass Mitmachen Pflicht ist: Es geht mir nur darum, dass Sie bereit sind, sich den Spielregeln zu unterwerfen. Dazu hat Knigge bereits gesagt „Lerne den Ton der Gesellschaft anzunehmen, in der Du Dich befindest“. Wir Menschen sind seit jeher im Rudel erfolgreicher als alleine. Darum macht etwas Gemeinsames auch dann erst richtig Freude, wenn alle gleichermaßen teilhaben können und mitmachen. Gegen den Strom zu schwimmen kann sich negativ auf Ihr Image auswirken.


Andererseits könnten Sie das bewusste Missachten der Spielregeln auch für Ihren großen Auftritt nutzen. Nicht, dass ich dazu aufrufen möchte – ich persönlich mag so etwas gar nicht – aber wenn Sie zum Whiskey-Tasting eingeladen sind und Ihre Thermoskanne Mate-Tee dabei haben – können Sie sich denken, dass Sie sich damit selbst zum Gesprächsthema Nr. 1 machen und auch einen bestimmten Ruf erarbeiten. Vielleicht werden Sie gar so manchen verbalen Seitenhieb einstecken müssen. Grund dafür kann nun neben dem Tee zwischen all den Johnnie Walker-Fans auch die Flasche Champagner sein, die Sie plötzlich auf der Thermomix-Party aus dem Ärmel zaubern – was wiederum für einen gänzlich gegensätzlichen Ruf sprechen würde und den haben Sie augenscheinlich selbst in der Hand!

 

Was ich sagen möchte: Schwimmen nicht zu sehr gegen den Strom und machen Sie sich nicht angreifbar, weil Sie sich zu fein, zu schade oder zu bescheiden für die Atmosphäre des Abends sind. Sie mögen gar keinen Whiskey und wären trotzdem gern dabei? Dann sagen Sie zumindest dem Gastgeber vorher Bescheid oder lassen Sie sich auf das Probieren eines einzigen Glases ein. Einfach nur für die Stimmung! Asserate sagt „Zum vergnügten Trinken gehören Leute, die dasselbe im Sinn haben!“

Zu guter letzt ...

noch ein kleiner Protipp für alle Witzbolde unter Ihnen: Sollten Sie anstoßen oder einen Tost aussprechen, dann denken Sie noch mal kurz drüber nach, ob Sie gerade mit dem Vorstand den Vertragsabschluss begießen oder mit dem Kegelverein das Wochenende auf Norderney eröffnen: „Zum Wohl“, „Auf uns“, „auf die Liebe“ oder „auf das Leben“ sind auf jeden Fall salonfähiger als „Born to be breit“ oder „Zieh wech die Pfütze“.

In diesem Sinne … wünsche ich Ihnen fröhliches Beisammensein, das Gespür für Verzicht, Maß und Spielregeln und selten passt mein Schluss-Appell so gut wie heute: Bleiben Sie anständig!


Birte Steinkamp

post@birtesteinkamp.de

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